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Re: Komma
Autor:Jesse
Datum: Sa, 14.01.2017, 21:29
Antwort auf: Re: Komma (Flexionstabelle)

> Wer im hier diskutierten Beispielsatz die Gliederung mittels
> Kommas deutlich macht, tut dies gemäß § 75 E2.

Solche Kommata werden in der Praxis nicht gesetzt, weil die Leute die Gliederung verdeutlichen wollen. Dafür gibt es zwei andere Gründe. Die Kommata mussten in den der alten Rechtschreibung gesetzt werden. Die Leute, die nach alter Rechtschreibung geschrieben haben, haben entweder nicht mitgekriegt, dass die Kommata vor dem erweiterten Infinitiv abgeschafft wurden, oder sie können oder wollen sich nicht umstellen. Der zweite Grund ist, dass es die Sache erheblich vereinfacht. Ich setze einfach bei jeder Infinitivgruppe ein Komma. Dann muss ich nicht schauen, ob da ein Korrelat ist, auf das sie sich bezieht, ob da ein Substantiv ist, und wenn ja, ob die Infinitivgruppe davon abhängig ist oder nicht. Ich kann also schon mal kein obligatorisches Komma vergessen. Und wenn das Komma nicht gesetzt werden muss, weil keine der Bedingungen erfüllt ist, dann ist es eben notfalls § 75 E2, dann habe ich eben die Gliederung verdeutlicht.

Das ist ein weiterer Grund, warum § 75 E2 nicht einschlägig ist. Selbst wenn man ihn auf einen rein subjektiven Tatbestand verkürzt. Die Formulierung um zu bedeutet Absicht, Dolus Directus 1. Grades, wie der Jurist sagen würde. Wer etwas tut, um etwas zu erreichen, dem kommt es gerade auf das Erreichte an. Und diese nach neuer Rechtschreibung falschen Kommata, werden eben in den allermeisten Fällen nicht gesetzt, um die Gliederung zu verdeutlichen. Sie werden gesetzt, um sicherzustellen, dass man kein obligatorisches Komma vergisst, und um sich das Leben einfacher zu machen.

Ich möchte betonen: Dagegen ist letztlich nichts einzuwenden. Viele Kommaregeln richten in der Praxis mehr Schaden an, als das sie nutzen, sorgen für Schwierigkeiten bei den Schreibenden, die in keinem Verhältnis zur Verständniserleichterung bei den Lesern stehen. Ich bin also durchaus ein Befürworter einer weitgehenden Wahlfreiheit. Im Fall von Infinitivgruppen sollte sie dann etwa auch immer gelten. Warum sollte ich keine Wahlfreiheit haben, wenn die Infinitivgruppe von einem Substantiv abhängt?

Es spricht absolut nichts dagegen, sich nicht an § 75 der neuen Rechtschreibung zu halten. Ich selbst tue es nicht, weil es mein Verlag nicht tut – dieser allerdings bewusst in dem Wissen, dass es nicht den offiziellen Regeln entspricht. Ich habe auch hier noch keinem Fragesteller gesagt, er dürfe kein Komma setzen. Die Mehrheit befolgt die offiziellen Regeln nicht. Trotz aller Versuche, können Regeln nicht von einer Obrigkeit oktroyiert werden. Am Ende entscheidet der Sprachgebrauch und die Sprachanwender über die Regeln. Teile der Regeln, wie eben § 75, werden sich auf Dauer einfach nicht durchsetzen. Aber es gibt diese dummen Regeln nun einmal und es gibt Leute, die gesteigerten Wert darauf legen, sie zu befolgen. Deswegen halte ich es für richtig, einen Fragesteller darauf hinzuweisen, dass es diese Regeln gibt, die an der fraglichen Stelle kein Komma vorsehen, dass sich aber umgekehrt viele nicht daran halten und er entsprechend selbst entscheiden kann, ob er ein Komma setzen will oder nicht.

> Dort steht auch
> nicht, dass dies nur in dem Fall getan werden darf, in dem die
> Gliederung deutlich gemacht werden muss. Diese Bedingung
> hast du frei erdichtet.

Nein, das habe ich nicht frei erdichtet. Wenn du einen Juristen kennst, kannst du ihn ja mal darum bitten, dir § 75 E2 auszulegen nach den allgemeinen Maßstäben einer Auslegung von Regeln (Wortlaut, historisch, systematisch, theleologisch). Da wirst du trotz des alten Sprichworts "2 Juristen, 5 Meinungen" ein eindeutiges Ergebnis erhalten. Und nachdem ja einige Sprachwissenschaftler, die gleiche Meinung vertreten wie ich, kann man eine spontane Erdichtung meinerseits auch eher ausschließen.

Ich muss allerdings die genaue Wortwahl korrigieren. "Muss" ist in dem Zusammenhang nicht zutreffend. Es ist zu stark. Dein Argument, es wäre sinnlos, für Fälle, in denen etwas deutlich gemacht werden muss, die Kommasetzung freizustellen, ist allerdings so auch nicht zutreffend. Schließlich gibt es keine Regel, die besagt, dass ein Komma in einem solchen Fall gesetzt werden muss. Daneben finden sich in den Regeln andere Stellen mit Wahlfreiheit in Fällen sehr undeutiger Gliederung, z.B. § 73.

Wie gesagt, "muss" ist zu stark in diesem Zusammenhang. Aber um etwas zu verdeutlichen, muss es zu einem gewissen Grad undeutlich oder uneindeutig sein. Wenn ich mich auf eine Grafik mit einem roten und blauen Quadrat beziehe und schreibe, das rote Quadrat sei größer als das blaue, käme auch niemand auf die Idee zu ergänzen, das rote Quadrat sei das auf der linken Seite der Grafik. Dort wo etwas bereits eindeutig ist, brauche ich auch nichts zu verdeutlichen. Das ist im Beispielssatz der Fall. Die Gliederung ist eindeutig.

Im Übrigen geht es in der Regel noch weiter: "... bzw. um Missverständnisse auszuschließen." Ich gehe mal davon aus, dass die Verfasser der neuen Rechtschreibung, ausgewiesene Sprachexperten, den Unterschied zwischen beziehungswiese und oder kannten. Es handelt sich um eine Ausnahmeregelung für Fälle, in denen die Gliederung nicht eindeutig (verdeutlichungswürdig) ist und ein Komma dazu geeignet ist, Missverständnisse beim Leser zu vermeiden.

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