> Ich hätte vielleicht genauer sagen sollen
Aha. So hört es sich schon ganz anders an.
> Es waren nämlich keineswegs nur stammelnde Neandertaler, die sich
> gegen die oktroyierten Regeln wehrten, sondern ganz maßgeblich
> Vertreter der schreibenden Zünfte, die sich betroffen fühlten.
Beispielsweise hat auch Herr Reich-Ranitzki durch öffentliche Äußerungen zu bestimmten Sachpunkten seine teilweise Inkompetenz bewiesen.
> Die mußten sich dann die Anschuldigung gefallen lassen, die
> lange vorbereitete Reform viel zu spät zur Kenntnis genommen zu
> haben. Ein anmaßender Vorwurf, wenn man bedenkt, daß es nicht
> die Aufgabe etwa eines Schriftstellers ist, sich mit den
> unausgegorenen Überlegungen akademischer (hier bitte bis drei
> zählen) Gremien zu befassen.
Ich hatte eigentlich von jedem, der beruflich schreibt, erwartet, dass er lange vor 1996 wusste, dass und wann eine Reform geplant ist. Ich erwarte ja auch von einem Automechaniker das Wissen darüber, dass überall Pläne für PKWs mit 42-Volt-Bordnetz in den Schubladen liegen. Wer solche Informationen nicht aus der ganz normalen Tagespresse fischt, "Aha!" sagt und die Sache im Hinterkopf behält, weil sie ja ihn und seine Arbeit erheblich tangieren wird, den nehme ich nicht ernst.
Natürlich verlange ich nicht, dass jeder der Erwähnten sich frühzeitig mit allen Einzelheiten vertraut gemacht hat. Das wäre in vielen Fällen überflüssiger Aufwand, und gerade in puncto RS-Reform auch gar nicht nötig: Man konnte ja planen, sich ganz kurz vorher zu informieren, wenn es entsprechende Fachliteratur usw. gab. Wer so agiert, der soll aber bitte später still sein und sich nicht (viel zu spät!) zum Kritiker berufen fühlen. Und vor allem sollte er sich als Kritiker zurückhalten, wenn er nur Dinge aus den Massenmedien ohne Prüfung nachplappern will, weil ihm das Recherchieren an der Quelle zu aufwendig ist. Schließlich weiß man doch, dass in den Massenmedien ein sehr, sehr großer Teil aller "harten" Sachinformationen nur 90%ig korrekt und missverständlich wiedergegeben wird (Ergebnisse von Fußballspielen mal ausgenommen). Das Spiel Stille Post wird ja leider unter Journalisten immer beliebter.
> Ein Günter Grass hat vermutlich erst in dem Moment von der Reform
> Notiz genommen, als er entsetzt feststellte, daß seine Prosa im
> Begriff war, vom Lektor bzw. Korrektor in eine höchst befremdliche
> Form geknetet zu werden.
Hat er so wenig Phantasie, dass er vorher nicht an diese Möglichkeit gedacht hat? Er diskutiert ja sonst auch gern und viel über für sein Leben und seine Arbeit völlig irrelevante Dinge.