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Re: normalgroß/normal groß
Autor:Ivan Panchenko
Datum: Sa, 31.10.2020, 16:54
Antwort auf: Re: normalgroß/normal groß (Pumene)

> Dafür kann man normalgewichtig in einem Wort schreiben:

Das Wort normalgewichtig ist ja von Normalgewicht abgeleitet. Klar ist auch, dass hochprozentig statt hoch prozentig geschrieben wird (usw.). Bei normalgroß würde ich aber ebenfalls zusammenschreiben (vgl. mittelgroß), gemeint ist schließlich nicht ‘groß, und zwar auf normale Weise’, sondern ‘in normalem Maße groß’ – normal ist kein Gradadverb wie kaum oder sehr. Man beachte auch das Akzentuierungsmuster (Hauptbetonung auf normal).

Früher sah das Reformregelwerk übrigens vor, dass in Fällen wie riesig groß oder mikroskopisch klein, bei denen der erste Bestandteil eine Ableitung auf -ig, -isch oder -lich ist, getrennt geschrieben wird. Die Regel wurde von Ickler kritisiert:

Mehrgliedrige Farbbezeichnungen wurden, wie oben erwähnt, bisher zusammengeschrieben, wenn sie als Determinativkomposita Mischfarben bezeichneten: rötlichbraun, grünblau usw. Dagegen schrieb man die kopulativen Bezeichnungen von Farbzusammenstellungen mit Bindestrich: weiß-blau. (Dazu gab es Ausnahmen wie das sehr geläufige schwarzrotgold, die hier nicht interessieren.) In Zukunft sollen diese Farbbezeichnungen ohne Rücksicht auf die Bedeutung getrennt geschrieben werden, wenn der erste Bestandteil auf -ig, -isch oder -lich endet: rötlich braun, sonst aber zusammen: rotbraun, orangerot. Der Verlust für den Leser ist offensichtlich. Außerdem wirkt es widersinnig, folgendermaßen unterscheiden zu müssen: bläulich schwarz, aber schwarzbläulich[.] […]

Bindestrich-Komposita wie physikalisch-chemisch oder wissenschaftlich-technisch (§ 45 [2]) sind auf jeden Fall echte Zusammensetzungen, obwohl der erste Teil auf -lich/-isch endet. Damit ist die Irrelevanz dieser Regel wenigstens für einen Teil ihres Anwendungsbereichs nachgewiesen (und ein Widerspruch im Regelwerk, den die Verfasser eigentlich nicht übersehen haben können, denn unter § 36 E1[2] verweisen sie ja auf § 45 [2]).

Die -ig/-isch/-lich-Formulierung ist 2006 weggefallen, doch weiterhin wird laut dem amtlichen Wörterverzeichnis bläulich grün geschrieben (die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (Zur Reform der deutschen Rechtschreibung: Ein Kompromißvorschlag, 2003) sah sowohl Zusammen- als auch Getrenntschreibung vor), außerdem führt der Duden winzig klein.

Bei bläulich grün kann grün primär betont werden, während bei blaugrün die Hauptbetonung auf blau fällt, somit scheint der Fall mit eng verwandt/engverwandt vergleichbar zu sein (siehe § 36 (2.2), wo es um »Verbindungen mit einem einfachen unflektierten Adjektiv als graduierender Bestimmung« geht), wobei bläulich jedoch kein einfaches Adjektiv ist. Bleibt uns also nur die Getrenntschreibung? Nicht so schnell! Mit Blaugrün ist eine grüne Farbe gemeint, die ins Blaue spielt, blau wird hier also nicht so stark gewichtet wie grün, während bläulich( )grün schlichtweg ‘bläulich UND grün’ bedeutet, damit könnte die Konstruktion wie süßsauer (was auch mit Hauptbetonung auf der zweiten unmittelbaren Konstituente vorkommt) zusammengeschrieben werden. Ickler:

Eine Auffassung als syntaktische Gruppe ("auf bläuliche Weise grün"?) ist nicht gut möglich. […] Meine Deutung ist, daß die Reformer beim Revidieren der Regeln schnell und flüchtig gearbeitet und die Folgen nicht bedacht haben. Irgendwie spukt das ig/isch/lich noch herum (jetzt im Kriterium der Nichteinfachheit versteckt).

Wenn wir bläulich grün schreiben sollen, dann auch säuerlich süß statt säuerlichsüß/säuerlich-süß? Die Getrenntschreibung winzig klein (Duden) könnte man vielleicht akzeptieren, dann ist winzig wie so, dass es winzig ist zu verstehen und NICHT etwa wie ein winziges bisschen, vgl. Edward Nelson:

Some people say “infinitesimally close”, but they are not saying what they mean. Can you imagine gazing into the eyes of someone you love and saying, “I feel infinitesimally close to you”?

Im grimmschen Wörterbuch ist winzigklein als »häufige zusammenrückung von winzig klein« verzeichnet. Unstrittig ist mikroskopisch klein (englisch microscopically small), hier könnte mikroskopisch als direkter Bezug auf die Mikroskopie aufgefasst werden, von Konstruktionen wie infinitesimal klein (statt unendlich klein oder infinitesimal) oder winzig klein (statt einfach winzig oder eben winzigklein/winzig-klein) bin ich weniger überzeugt.

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normalgroß/normal groß
Micky -- Sonntag, 7.9.2014, 14:04
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Kai -- Sonntag, 7.9.2014, 17:22
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Bedenkentraeger -- Sonntag, 7.9.2014, 23:19
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Julian von Heyl -- Sonntag, 7.9.2014, 23:36
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E.L. -- Dienstag, 27.10.2020, 15:49
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Pumene -- Dienstag, 27.10.2020, 23:03
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Ivan Panchenko -- Samstag, 31.10.2020, 16:54