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Fehler in Belles Lettres
Autor:Ivan Panchenko
Datum: Di, 05.10.2021, 00:45

Da mir der Betreiber von Belles Lettres nicht antwortet, schreibe ich hier einige Fehler auf, vielleicht findet es jemand nützlich.

Laut BL ist /unsere Agebe/ (statt /unsere Agebes/) mündlich falsch, aber man sagt doch auch nicht USAs. Initialkurzwörter sind eben ein Sonderfall, der nicht den üblichen Flexionsregeln folgen muss (siehe auch fremdwörtliche Pluralformen wie Antibiotika). Ich würde AGBs dennoch nicht als falsch abstempeln. In Duden online ist das ohne Markierung als umgangssprachlich verzeichnet (dafür als seltener) und eine Google-Suche zeigt, dass allgemeine Geschäftsbedingung sehr wohl im Singular vorkommt, ebenso findet man Belege für AGB im Singular: «Ist eine Klausel vorformuliert und wird über sie nicht mehr verhandelt, dann ist die Klausel eine AGB.» Auch wenn das im Plural ein feststehender Ausdruck ist, ist die Bedeutung mit der Erklärung als Plural von allgemeine Geschäftsbedingung doch vollständig erfasst; das Adjektivattribut lässt sich auf jede einzelne Geschäftsbedingung beziehen. Von dem her verwundert es nicht, dass manche AGBs schreiben. Hingegen sagt man nicht die UNs für die Vereinten Nationen, vereint ist ja auch auf die Nationen in ihrer Gesamtheit zu beziehen. Na kann durchaus /enn-a/ ausgesprochen werden, chemische Formeln wie CO₂ werden gerne zeichenweise rezitiert.

Der Plural Boni (statt Bonusse) wird von BL als Kokolores bezeichnet. «Da der Plural im Engli­schen einzig bonuses lautet, wäre dies auch der bil­dungs­sprach­lich moti­vierte Plural im Deutschen.» Dazu zwei Anmerkungen: Zwar kommt Bonus über das Englische ins Deutsche, das Wort lässt sich aber auf das lateinische Adjektiv bonus zurückführen und die Aussprache entspricht der von Latinismen ([ˈboːnʊs] statt [ˈbɔʊ̯nəs] – Antonym [ˈmaːlʊs]), sodass Bonuses als bildungssprachlicher Plural im Deutschen nicht zu erwarten ist und man auf die Idee kommen kann, für den deutschen Plural die lateinische Pluralform boni herzunehmen und das Ganze auf analoge Weise in einer anderen Bedeutung zu gebrauchen (nämlich für Bonuszahlungen statt gute Menschen). (Das Wort dressman gibt es im Englischen nicht, dennoch soll Dressman englisch klingen, sodass wir den Plural Dressmen bilden.) Andererseits stellt sich die Frage, ob man hier überhaupt eine Übernahme eines substantivierten Adjektivs sehen will (wenn es darum ginge, hätte man ja das Neutrum bonum nehmen können) oder vielmehr eine bloße Anlehnung an eine Grundform. Man vergleiche das mit Placebo, was von einer lateinischen Verbform (placebo ‘ich werde gefallen’) stammt statt eines Substantivs oder einer Substantivierung – der Plural wird nach deutschem Schema mit Placebos gebildet, Placebimus (‘wir werden gefallen’) wäre keine sehr sinnvolle Analogie, denn auch wenn von mehreren Placebos die Rede ist, macht – um das Bild zu bemühen – immer noch jedes Placebo eine Aussage über sich selbst («ich»!). Oder nehmen wir Plus als Beispiel, hier wäre es in semantischer Hinsicht unpassend, die lateinische Pluralform plura zu übernehmen. Als Pluralform von Bonus ziehe ich Bonusse oder Bonus vor, würde Boni in Anbetracht der Verbreitung aber nicht als falsch anstreichen.

Die Form des Sportes soll hyperkorrekt sein. Nun ist die Entlehnung aber so weit integriert, dass wir Sport mit [ʃ] statt [s] aussprechen, als Plural (für Arten) verzeichnet Duden nicht Sports, sondern Sporte. Da erscheint mir Sportes nicht ganz abwegig.

Die Schreibweise des März’ ist falsch. Der Apostroph wird bei Eigennamen gesetzt, die ohne Artikelwort im Genitiv stehen («wenn sie nicht einen Artikel, ein Possessivpronomen oder dergleichen bei sich haben», so das Regelwerk), zum Beispiel heißt es Aristoteles’ Schriften, mit Artikel greift der Apostroph dagegen nicht: Schriften des Aristoteles, Satz des Pythagoras, des März, des Zyklus. Laut Rechtschreibregelung schreibt man sogar Giraudoux’ Werke (so auch schon vor der Rechtschreibreform), obwohl hier ein s-Laut hinzukommt. Dieser Laut wird bereits vom x vertreten (zum Beispiel schreibt man des Bordeaux [bɔrˈdoːs] statt des Bordeauxs), der Apostroph dient hier der Verdeutlichung des Genitivs in der Schrift, auch wenn das nicht zu seiner «prototypischen» Funktion (dem Anzeigen einer Elision) gehört.

«Hier wird Hochdeutsch also wieder mit Standarddeutsch verwechselt.» – Das Wort hochdeutsch hat einfach zwei unterschiedliche Bedeutungen, man sagt ja auch Hochsprache für die Standardsprache.

Belles Lettres:

«• Das Deutsche ist eine schwierige Sprache.
• Deutsch ist eine schwierige Sprache.

Der erste Satz ist richtig, der zweite falsch. Auch wenn er ei­nem manch­mal im Ei­fer des Ge­fechts her­aus­rutscht, än­dert das nichts an sei­ner Falschh­eit, denn Sie wür­den die fol­gen­den Sätze wohl unter keinen Um­stän­den als gram­mati­ka­lisch kor­rekt be­urtei­len: […] Thomas Mann gilt als Könner des Deutsch.»

Könner des Deutsch ist in der Tat schief, wenn es nicht um eine bestimmte Art des Deutschen geht, aber hier taucht der bestimmte Artikel auf, im zweiten Satz dagegen nicht. Der zweite Satz ist ebenso einwandfrei wie «Blau ist eine schöne Farbe». Man kann Blau ohne bestimmten Artikel verwenden, wenn es allgemein um die blaue Farbe geht, und Deutsch ohne bestimmten Artikel, wenn es allgemein um die deutsche Sprache geht, wobei man dafür auch das Deutsche (adjektivische Deklination) mit Artikel verwenden kann.

Bundes-Agrar- und -Verbraucherschutzministerin soll einzig mit drei Bindestrichen richtig sein. Das könnte man denken, aber im amtlichen Regelwerk finden sich auch die Beispiele Textilgroß- und -einzelhandel (= Textilgroßhandel und Textileinzelhandel) und Eisenbahnunter- und -überführungen mit nur zwei Bindestrichen. Beim Beispiel Werkzeugmaschinen-Import- und -Exportgeschäfte wurde der erste Bindestrich wohl auf Grund von § 45 (2) (unübersichtliche Zusammensetzungen) gesetzt, er ist nicht zwingend. Da Bundesagrarministerin für gewöhnlich ohne Bindestrich geschrieben wird, wäre die normale Schreibweise Bundesagrar- und -verbraucherschutzministerin.

«Was auch immer das Partizip als Adjektiv für Ergänzungen haben kann, beim Sub­stan­tiv verschmilzt alles zu einem Wort: eine Allein­erzie­hende (nicht: eine allein Erzie­hende).» – Die Zusammenschreibung ist keineswegs Pflicht, im amtlichen Regelwerk finden sich die Beispiele Das ist das einzig Richtige, was du tun kannst und Bitte lesen Sie das unten Stehende/unten Stehendes genau durch. Die Schreibweise Untenstehendes ist ebenfalls korrekt, da untenstehend in Zusammenschreibung geht. Verbalsubstantive wie Zähneputzen (nicht das Zähne Putzen!) sind anders geartet, diese werden substantivisch dekliniert, während in zu Fuß Gehende das Wort gehend adjektivisch dekliniert wird, nur dass eben ein Bezugswort fehlt (substantivierte Verwendung), was durch Großschreibung angezeigt wird. Die Schreibweise zu Fuß Gehende ist also durchaus korrekt.

Die Betonung von buchhalterisch auf der vorletzten Silbe wird unter rhythmischen Gesichtspunkten erklärt. Das überzeugt mich nicht, denn bei schriftstellerisch und seelsorgerisch fällt die Hauptbetonung auf die erste Silbe (wie bei Schriftsteller und Seelsorger). Mir scheint, dass buchhalterisch für den Fall, dass es um die Buchhaltung selbst geht statt um die Art des Buchhalters, «verfremdwortet» wurde (als würde die Disziplin Buchhalterik heißen, es gibt ja auch solche Bildungen wie pauschal und Lappalie (Latinisierung von Lappen)). Beispiel: buchhaltérischer Gewinn, aber «Er trägt es ausgesprochen búchhalterisch vor». Im Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters von Peter Stolz ist übrigens buchhaltericus als neulateinisch verzeichnet. Zur Betonung von Apodosis: «Und im Deutschen wird auf der Pänultima so was betont.» – Das sollte man nicht übergeneralisieren, bei Latinismen und Gräzismen wird oft die Betonung im Lateinischen oder Griechischen genommen, auch wenn die Wörter sonst nach deutschen Regeln ausgesprochen werden, zum Beispiel Analysis [aˈnaːlyzɪs] – mit Betonung auf der vorletzten Silbe wie bei Analyse habe ich das noch nie gehört. Bei Pythagoras nimmt man die lateinische Betonung auf der Antepänultima anstelle der griechischen auf der Pänultima, Paradigma kann wiederum auf der Pänultima (wie im Lateinischen), aber auch auf der Antepänultima (wie im Griechischen) betont werden.

Thema Anführungszeichen: Wenn ein Minister nicht vorzeigbar ist, ist er natürlich auch kein Vorzeigeminister, dem widerspricht aber nicht die Praxis, nur den Teil Vorzeige- in Anführungszeichen zu setzen. Man muss es nicht so schreiben, kann es meines Erachtens aber. Rein formal ist das sogar präziser, weil damit der Teil Minister als Tatsache hingestellt wird; als «Vorzeigeminister» (mit Anführungszeichen) könnten theoretisch nicht nur Minister, die nicht vorzeigbar sind, bezeichnet werden, sondern auch Nichtminister (auch wenn das nicht sehr wahrscheinlich ist). Oder hier: Auch der Wetterdienst Meteomedia rief für einen Großteil des Landes Warnstufe rot aus - wegen des "ausgeprägten und sehr kräftigen Sturmfelds". Es mag zwar auch ohne Anführungszeichen klar sein, dass die Begründung inhaltlich vom Wetterdienst stammt, die Anführungszeichen machen jedoch deutlich, dass der Wortlaut übernommen wurde, und man macht sich auch die Aussage, es habe ein ausgeprägtes und sehr kräftiges Sturmfeld gegeben, nicht zu eigen.

Syntaktisch falsch ist auch der Ameri­kanis­mus, das Satz­gefüge nach dem Inquit mit einem Kom­ma for­tzu­füh­ren:

• Falsch: »Ja«, sagte sie, »da haben Sie recht.«
• Richtig: »Ja«, sagte sie. »Da haben Sie recht.«

Diese Erläuterung entspricht nicht dem amtlichen Regelwerk, außerdem kann man doch zum Beispiel schreiben:

• «Das», sagte er, «ist nicht gut.»

Die Zeichensetzung ist hier vergleichbar mit diesem Fall:

• Das, (so) finde ich, ist nicht gut.

«Yes we can»-Mantra sehe ich mit Leerzeichen nicht als falsch an, da «Yes we can» als nomenwertiges Zitat verwendet werden kann.

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Fehler in Belles Lettres
Ivan Panchenko -- Dienstag, 5.10.2021, 00:45
Re: Fehler in Belles Lettres
Ernst -- Freitag, 8.10.2021, 12:13