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Es bleibt euch unbelassen, die unbelassene Natur zu lieben

Es gibt Wörter, über die liest man so hinweg, bis man dann doch einmal stutzt und sich fragt: Gibt es das Wort überhaupt? So ging es uns neulich auch mit »unbelassen«, einem Wort, das man immer mal wieder liest, nach dem man aber im Duden vergeblich sucht. Unsere Überschrift spiegelt exemplarisch zwei gängige Verwendungsweisen dieses Wortes wider.

Frage:
In Reiseführern ist häufig von der »reinen und unbelassenen Natur« die Rede, wenn die Unberührtheit einer Urlaubsregion angepriesen werden soll. In einem ähnlichen Sinn spricht man von »unbelassenem Honig«, wenn dieser keine Zusatzstoffe enthält, oder von »unbelassenem Holz«, wenn es unbehandelt ist. Und beim deutschen Philosophieprofessor Christoph Hubig lässt sich folgende Definition nachlesen: »Als ›Natur‹ oder ›natürlich‹ wird dasjenige etikettiert, was ›ursprünglich‹ anzutreffen sei bzw. vom Menschen unbelassen ist.«

Ein weiterer Anwendungsfall betrifft Rechtstexte, etwa Verträge oder allgemeine Geschäftsbedingungen, wo häufig Formulierungen nach dem Muster »etwas bleibt jemandem unbelassen« auftauchen. Gemeint ist, dass es jemandem anheimgestellt ist, etwas Bestimmtes zu tun oder zu lassen – im Sinne von »unbenommen«. Beispiel aus einem AGB-Text: »Die Wahrnehmung der Hausrechte bleibt dem Veranstalter jederzeit unbelassen.«

Obgleich sich für beide Anwendungsfälle im Internet nicht wenige Suchtreffer erzielen lassen, findet man das Wörtchen unbelassen nicht im Duden. Die Frage drängt sich also auf: Handelt es sich bei den genannten Verwendungen überhaupt um korrektes Deutsch?
Julian von Heyl, korrekturen.de

Antwort:
Wir vermuten, dass hinter den beiden Verwendungsweisen von »unbelassen« Kontaminationen stehen, also Kreuzungen oder Verschmelzungen zweier Ausdrücke zu einem neuen: im ersten Fall (»unbelassene Natur«) möglicherweise aus »unbebaut« und »naturbelassen«, im zweiten Fall (»das bleibt ihm unbelassen«) möglicherweise aus »unbenommen« und »überlassen«. Aus solchen Kontaminationen können durchaus Wörter entstehen, die in den allgemeinen Sprachgebrauch Einzug halten.

In geringer Zahl ist der Ausdruck auch in unserem Dudenkorpus nachweisbar, einer elektronischen Textsammlung, die insbesondere Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, aber auch Romane, Reden, Reparatur- oder Bastelanleitungen umfasst. Auch in älteren Texten sowie insbesondere Rechtstexten finden sich Belege.

Die Verbreitung von »unbelassen« im aktuellen Sprachgebrauch ist nach unserer Einschätzung für eine Aufnahme in unsere Werke noch nicht ausreichend. Die weitere Entwicklung werden wir aber verfolgen.
Melanie Kunkel, Dudenredaktion

Julian von Heyl am 09.08.18
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Kommentare

1  Burghard von Nell

Es steht zu vermuten, dass der Begriff “Unbelassen" ebenso wie das Wort "Unkosten" , falsch verwendet wird. Im Sprachgebrauch wird der Begriff "Unkosten" als Synonym für Kosten verwendet. Eigentlich müsste der Begriff "Unkosten" bei dem Sachverhalt verwendet werden, wenn eben keine Kosten vorliegen. Der Begriff “unbelassen" bedeutet eigentlich im übertragenen Sinne, ich habe etwas verändert. Folglich müsste man das Wort belassen verwenden, wenn ich eben nichts verändert habe.

Geschrieben von Burghard von Nell am 18.04.20 16:01

2  Wolfgang Neef

Das was hier über dieses Wort geschrieben wurde ist völlig logisch und auch nachvollziehbar und es regt mich als gelegentlichen Anwender des Begriffs an über mich selbst zu schmunzeln - aber trotzdem drückt es doch in so trefflicher Weise durch die langjährige Verwendung und Gewöhnung genau das aus was man jemandem damit sagen möchte ;-)
Es bleibt mir also zum Glück "unbelassen" es zu verwenden - oder aber nicht :-)

Geschrieben von Wolfgang Neef am 16.04.21 20:13

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