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Duden – Das große Wörterbuch der deutschen Sprache

Duden – Das große Wörterbuch der deutschen SpracheMit der 4. Auflage des umfassenden Nachschlagewerks »Duden – Das große Wörterbuch der deutschen Sprache«, erschienen im Herbst 2011, geht der Dudenverlag neue Wege: Erstmals erscheint ein Standardwerk von Duden in rein elektronischer Form – auf eine gedruckte Version des mehrbändigen Wörterbuchs wurde verzichtet.

Wenn das »Deutsche Universalwörterbuch«, wie ich in der dazugehörigen Rezension schrieb, das Flaggschiff aus dem Dudenverlag ist, kann man »Das große Wörterbuch der deutschen Sprache« nur als Flugzeugträger bezeichnen. Erstmals erschien es in sechs Bänden zwischen 1976 und 1981 unter der Leitung von Günther Drosdowski und hatte den Anspruch, den Wortschatz der deutschen Gegenwartssprache möglichst vollständig zu erfassen: mit mehr als 1 Million Angaben zu Aussprache, Herkunft, Grammatik, Stilschichten, Fachsprachen und mit über 2 Millionen Beispielen aus der Gegenwartsliteratur. Und tatsächlich war eine derart umfassende Referenz zur deutschen Sprache, sieht man vom monolithischen Wörterbuch der Brüder Grimm ab, bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht da gewesen.

Die 2., erweiterte und auf acht Bände angewachsene Auflage mit rund 4.000 Seiten folgte ab 1993 und setzte mit ihren mehr als 200.000 Stichwörtern erneut Maßstäbe. Die bereits sechs Jahre später erscheinende, nunmehr zehnbändige 3. Auflage von 1999 kann hingegen nur mit gemischten Gefühlen betrachtet werden: In Umfang und lexikalischem Niveau zwar wieder höchsten Ansprüchen genügend, musste sie sich doch dem Diktat der damals noch unbehauenen Rechtschreibreform beugen, wodurch sie aus heutiger Sicht eher als umfangreiche Dokumentation einer skurrilen Zwischenphase der deutschen Rechtschreibung dasteht.

Seitdem hat sich die Welt weitergedreht: Längst gibt es das orthografische Wissen von Duden auch in elektronischer Form, sei es auf CD-ROMs, als Downloads, als Apps oder auf Duden online. Gleichzeitig haben voluminöse, hochpreisige Nachschlagewerke als Statussymbol ausgedient, weshalb der Dudenverlag entschieden hat, »Das große Wörterbuch der deutschen Sprache« nicht mehr in Buchform zu publizieren. Umso schöner ist es, dass man als Kompromisslösung beschloss, eine 4. Auflage zumindest in elektronischer Form zu realisieren.

Der entscheidende Unterschied zum Universalwörterbuch sind die vielfältigen Belege, wobei erstmals das elektronische Duden-Korpus zum Einsatz kam, die zeitgemäße Fortentwicklung der bewährten Sprachkartei. Zitiert wird quer durch die deutschsprachige Presselandschaft, und Zitate gibt es auch von der Crème de la Crème der deutschsprachigen Literatur, angefangen bei Theodor W. Adorno bis hin zu Stefan Zweig – aber auch etwa von Florian Illies oder Hape Kerkeling. So wird jedes Nachschlagen zum belletristischen Vergnügen, gleichzeitig schärft es die Stilsicherheit, die Wörter und Begriffe stets in einem Kontext eloquenter Anwendung betrachten zu können.

Schon der Verlagspreis von 199,95 € deutet auf eine eher kleine Zielgruppe hin, zumal man als haptischen Gegenwert nur eine silberne Scheibe und im Falle des Downloads noch nicht einmal die erhält. Wer sich beruflich oder aus Passion intensiv mit der deutschen Sprache beschäftigt, wird sich von der Investition aber sicher nicht abschrecken lassen – und wird reich belohnt. Es steht auch zu vermuten, dass verkaufsstrategische Überlegungen bei diesem Referenzwerk nicht an erster Stelle standen, sondern auch inhaltliche Motive eine Rolle spielten: Die Strahlkraft eines solchen Werkes auf »die Marke Duden« und damit auf den gesamten Verlag ist nicht zu unterschätzen.


Duden – Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
Die umfassende Dokumentation der deutschen Gegenwartssprache
ISBN: 978-3-411-71003-4
4. Auflage 2012, CD-ROM + Download
Produktseite auf Duden online

Julian von Heyl am 20.11.12
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