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Re: Singular/Plural?
Autor:A. A.
Datum: Mi, 18.01.2006, 20:19
Antwort auf: Re: Singular/Plural? (Alv)

Einspruch abgelehnt!

§ XYZ des Sprachgesetzbuches: Subjekt und ein diesem zugewiesenes Prädikat stehen in Numeruskongruenz zueinander. Subjekt Singular - Prädikat Singular, Subjekt Plural - Prädikat Plural. »Es wurden eine Reihe von Algorithmen entwickelt« ist ein Verstoß gegen sprachliche Regeln und vielen wird sich einiges sträuben, wenn sie das hören. Wenn sich das im Plural stehende Prädikat »entwickeln« auf »Algorithmen« bezieht, muss man das auch sagen: Algorithmen wurden entwickelt. Der Satz »Es wurde eine Reihe von Algorithmen entwickelt« bedeutet eben NICHT, dass »Algorithmen« entwickelt wurden, sondern eine »Reihe« von Algorithmen. Dabei ist nicht klar, ob die Algorithmen ebenfalls mit entwickelt wurden oder vorher nicht schon vorhanden waren. Anderes Beispiel: In China wurde ein Sack von Mehl gesichtet. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass das Mehl gesichtet wurde. Das Mehl befindet sich im Sack und kann, wenn dieser undurchsichtig und verschlossen ist, auch gar nicht gesichtet werden. »In China wurde ein Sack von Mehl gesichtet« bedeutet zunächst nur, dass der Sack gesichtet wurde. Oder: Eine Frau von Klasse wurde ermordet. Hier wird nur die Frau ermordet und nicht die Klasse.
Im Satz »Es wurde eine Reihe von Algorithmen entwickelt« ist »von Algorithmen« ein Präpositionalgefüge, das ein Attribut (eine nähere Erläuterung) in Bezug auf das Substantiv »Reihe« darstellt. Wenn eine bestimmte Handlung an einem Substantiv durchgeführt wird, bedeutet dies nicht, dass diese Handlung automatisch auf ein eventuell vorhandenes Attribut übergeht. »Die Hälfte von meinen 24 Kameraden wurde erschossen« bedeutet, dass nur 12 Kameraden erschossen wurden. Wenn sich »wurde erschossen« auf »... meinen 24 Kameraden« bezöge, hieße das, dass ALLE 24 Kameraden erschossen worden wären. Und genau das ist eben nicht der Fall. Das Prädikat eines Satzes stellt immer die Tätigkeit dar, welche vom Subjekt ausgeht. Es kann sein, dass sich »Die Hälfte von meinen 24 Kameraden wurde erschossen« komisch anhört, aber es entspricht den Regeln. Wenn man versucht, den Inhalt zu verstehen, muss man sich schon die einzelnen Satzteile und grammatikalischen Gegebenheiten ansehen und zueinander in Beziehung setzen. Denn grammatikalische Bezüge regeln den jeweiligen Kontext. Und wenn jeder seine eigenen Regeln macht, wird Kommunikation irgendwann unmöglich und ständige Missverständnisse werden die Folge sein. Zwar handelt es sich hier um einen minderschweren Fall, weshalb man noch einmal Bewährung geben kann, aber jeder Verstoß gegen Regeln ist ein solcher und muss sofort geahndet werden, um gewisse Unsitten erst gar nicht einreißen zu lassen.
Im Übrigen kann ich den Inhalt des hier diskutierten Satzes schon verstehen, auch wenn ich einen Verstoß entdeckt habe. Aber es bleibt bei nicht fachgemäß angewandter Grammatik immer eine Ungewissheit der Interpretation, was hier allerdings auf Grund der klaren Sachlage nicht der Fall ist.
Der Sinn eines Satzes e r g i b t sich in erster Linie aus der von Ihnen kritisierten formalen Ebene. Und der Kopf wird erheblich entlastet, wenn sich jeder an die Regeln hält und auch genau das schreibt, was er eigentlich meint.
Im Übrigen beziehe ich mich hier nicht auf Prüfprogramme. Die Grammatikprüfung bei Word ist in der Regel nur bei einfach strukturierten Sätzen nützlich. Bei komplexeren Sätzen versteht der Laie gar nichts und Experten brauchen die Grammatikprüfung eh nicht.
Und ich muss auch noch zum Schluss sagen, dass ich »Es wurden eine Reihe von Algorithmen entwickelt« in meinem Sprachempfinden als falsch und als nicht besonders gutes Deutsch empfinde. Dabei ist mir das völlig egal, wer was wie und warum schreibt, denn es ging hier ja nur darum, ob das auf sprachlicher Ebene und nicht unbedingt auf inhaltlicher Ebene einwandfrei ist. Ich jedenfalls würde mich lieber immer an § XYZ halten.

Liebe Grüße

A. A.

> Einspruch, Euer Ehren!

> Man kann das Ganze natürlich auf die rein FORMALE Ebene bringen,
> ohne den Sinn zu berücksichtigen. Wenn man aber versucht, den
> Inhalt zu verstehen, dann kommt man dahinter, dass hier nicht
> EINE Reihe entwickelt wurde, die aus Algorithmen besteht und
> später werden vielleicht ZWEI Reihen entwickelt ... (wie beim
> Stricken: eine Reihe, die aus Maschen besteht), sondern
> "eine Reihe" im Sinn von "einige",
> "mehrere", "viele" verwendet wird (!), und
> "entwickeln" bezieht sich eben auf die Algorithmen,
> ergo: es WURDEN eine Reihe von Algorithmen entwickelt...

> Um das Problem zu lösen, muss man sich also nicht nur díe
> einzelnen Satzteile ansehen, sondern auch den Kopf einsetzen ...
> (Klingt gemeiner als es gedacht ist!)
> Aus diesem Grund sind Prüfprogramme (die aus einer Reihe von
> Algorithmen bestehen ;o)) eben dem Menschen (im Allgemeinen ;o))
> unterlegen!

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