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Re: meine persönliche Einschätzung
Autor:Birgitta Hoffmann
Datum: Do, 26.07.2001, 13:46

Jetzt hat mich das Thema doch nochmal ein paar Tage hin und wieder zum Gedankenspiel verführt.
Tatsächlich finde ich das der Duden erwähnte 'genitivus qualitatis' als differenzierende Ergänzung zur allgemein verwendeten Deklination mein Sprachempfinden bestätigt.
Die von Ihnen durchkonjugierten Fälle sind der Regelfall, und ein schönes Beispiel um Nicht-Muttersprachler in die Logik deutscher Grammatik einzuführen.
Allerdings wird hier eine Ausnahme geschaffen bei Verwendung 'DieseN' Jahres:
als Zusammenfassung des Sinnes 'dieseS spezifischeN/bestimmteN Jahres'.
Das qualifizierende Adjektiv dominiert die Casus-Bestimmung und dadurch kommt es umgekehrt in der Umgangssprache zum Negativ-Echo, den GQ auf allgemeiner Basis zu verwenden.
Wahrscheinlich kann ich damit leben.
Dankeschön nochmal dafür, sich so mit hineinzudenken.
Übrigens halte ich es wirklich auch nicht für übertriebenen Perfektionismus diese Feinheiten
zu erklären und stilistische Sinnverschiebungen zu erkennen. Dies hat etwas mit Logik und Schulung des analytischen Denkvermögens zu tun.
Und was mich wirklich auch interessiert - selbst wenn Sie es damals als logisch nicht haltbar erkannt haben - ist die Sinnverschiebung, die sie bei unterschiedlicher Verwendung von 'mir selbst' und 'mir selber' empfanden. Es kommt ja auch hier auf den Zusammenhang an.
So werde ich nicht irritiert zusammenzucken wenn ich z.B. höre: 'mir selber ist es egal.'
Vielleicht im Sinne von: 'Selber (Aktuelle, verkürzte und von so manchem als nicht so antiquiert empfundene - Kurzform von veraltet 'selbiger') hatte einiges hinzuzufügen'. Das 'mir selber' ist dann auch eine Verstärkung im Sinne von 'mir persönlich ist es wurscht'.
Im Beispiel des Dudens zum Wort 'selbst' ist eine Redewendung (siehe "1."): 'Selber essen macht fett'. Bei "3." wird zwar auf die Verwendung von 'selbst' im Sinne von 'sogar' eingegangen, aber für Sprachentdecker ist es schöner hier bei 3. auf die unterschiedliche Aussage im gleichen Beispielsatz einzugehen: 'Selbst essen macht fett' im Sinne von 'Sogar essen macht fett' heisst eben etwas anderes als 'Selber essen macht fett' im Sinne von 'Alles alleine konsumieren führt zu evt. ungesunder Gewichtszunahme'.
Dies widerspricht nicht der geläufigeren, weil häufiger anwendbaren Form 'selbst', die aber in wenigen, differenzierteren Sachverhalten so nicht richtig ist, oder einen anderen Sinn vermittelt, ähnlich wie beim Beispiel des erweiterten Genitivs.
Mit solchen bezugnehmenden Beispielen kann der Duden, auch für Muttersprachler, transparenter werden. Es ist eine kleine Sprachlektion, die das babylonische Sprachwirrwarr etwas erhellt.
'Mir selber ist es wurscht' betont die PERSON ('Selbiger'in der Betonung auf diese als bewusstes Wesen, 'mir selbst ist es wurscht' ist genauso richtig, sagt das gleiche aus, bezieht sich aber stärker auf das PersonalPRONOMEN und lenkt das Interesse mehr auf den objektiven Sachverhalt und von der Person weg.)
Andere Sprachen haben da auch ihre idiomatischen Feinheiten, die man erst versteht wenn man von Muttersprachlern darauf aufmerksam gemacht wird.
Ein grober Fehler ist es allerdings, quantitative Umkehrschlüsse zu ziehen welche eine Sprache in ihrer Sinnvermittlung verarmen lassen.
Nur weil eine meistens anzuwendende Form auch in eine bestimmte Satz-Schablone passt heisst das doch nicht das diese ausschliesslich immer angewendet werden muss, besonders wenn ein erweiterter Sinnzusammenhang dabei verloren geht.
Und es geht hierbei ja nicht - misstrauisch beäugt - um Geheimbotschaften, sondern um verfeinertes aber logisch auch be- und ergründbares sprachliches Feingefühl und Ausdrucksvermögen. Soweit halte ich es jedenfalls für vertretbar.
Freundliche Grüße
Birgitta

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